Buchvorstellung und Diskussion mit der Religionssoziologin Helen Rose Ebaugh
Der Theatersaal im Münchner Amerikahaus war bis auf
den letzten Platz besetzt, als die amerikanische Soziologin Helen Rose Ebaugh
am Samstag, dem 24. März ihre empirische Studie zur Gülen-Bewegung vorstellte.
Ziel der in den 1960er Jahren von Fethullah Gülen ins Leben gerufenen Bewegung
ist, sozial benachteiligten jungen Menschen durch Bildung neue Perspektiven zu
bieten. Weltweit wird die Gülen-Bewegung von über zehn Millionen Menschen meist
türkischer Herkunft unterstützt und unterhält Einrichtungen in etwa 120
Ländern. Auch in Deutschland, wo die Bewegung, die sich selbst Hizmet (Dienst)
nennt, nicht unumstritten ist, betreibt sie mehrere Schulen. Immer wieder jedoch sieht sich die Bewegung
mit dem Vorwurf konfrontiert, eine geheime islamistische Agenda zu verfolgen.
Ebaugh hingegen sieht die Gülen-Bewegung durchweg
unkritisch. In ihrer fünfjährigen Forschungsarbeit beschäftigte sie sich
schwerpunktmäßig mit den beiden Fragen "Woher kommen die finanziellen
Mittel der Gülen-Bewegung?" und "Was motiviert die Freiwilligen zu ihrem großen
Engagement?". Bei Forschungsreisen führte sie Interviews mit 103
Unterstützern aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten. Die Frage nach dem
Ursprung der finanziellen Mittel sei schnell beantwortet gewesen, erzählt
Ebaugh. So sei es bei Unterstützern üblich, zwischen 5 und 20 Prozent des
Jahreseinkommens zu spenden. Und da sich viele erfolgreiche Geschäftsmänner
unter ihnen befinden, betragen die Spenden oft auch mehrere Millionen. Diese
gute finanzielle Ausstattung erlaube es der Gülen-Bewegung, ihre zahlreichen
Bildungseinrichtungen gut auszustatten und Jugendlichen, die sonst wenig Chancen
hätten, eine exzellente Ausbildung zu ermöglichen.
Die große Motivation der Mitglieder sieht Ebaugh unter
anderen in der horizontalen netzwerkähnlichen Organisation der Bewegung, die
sich aus vielen kleinen, hoch motivierten Gruppen von etwa 10 bis 15 Mitgliedern
zusammensetzt. Ebaugh schildert die
Gülen-Bewegung als moderat islamisches Netzwerk ohne konkrete politische Ziele,
die von Zielen und Beweggründen her mit vielen religiösen Bewegungen anderer
Glaubensrichtungen vergleichbar sei. Die drei Alleinstellungsmerkmale seien
lediglich, dass sie ihren Ursprung in der Türkei habe, dass sie islamisch sei
und ihre Organisation horizontal organisiert. Aufgrund dieses Fehlens jeglicher
hierarchischer Strukturen sei es auch so schwierig, konkrete Angaben über
Aktivitäten und Unterstützer zu erhalten – was in der Öffentlichkeit oft als
fehlende Transparenz bemängelt würde.
Im Anschluss an den Vortrag Ebaughs wurde bei den
Fragen des Publikums unter anderem der Vorwurf, die Gülen-Bewegung betreibe
intensive politische Meinungsbildung angesprochen. Ebaugh räumte unter dem
Stichwort "nothing ist non-political" ein, dass eine derart große und
reiche Bewegung natürlich das Potenzial habe, politisch aktiv zu werden. Jedoch
bekräftige sie, dass sie derzeit keinerlei Anzeichen für eine politische
Aktivierung sehe. Vielmehr sei es Ziel der Gülen-Bewegung, durch gute Bildung
aller Bürger die Grundlage für eine starke Demokratie zu schaffen.
Ein kleiner Austausch vor der Veranstaltung
Unsere Damen der Frauenplattform hatten am frühen Nachmittag die Gelegenheit Prof. Ebaugh persönlich kennenzulernen. Im Cafe Luitpold bei köstlichen Spezialitäten wie Prinzregententorte, Obatzder und Brezen konnten wir Prof. Ebaugh einen kleinen Einblick in die bayrische Lebensart und in unsere Arbeit im Verein geben.
Im Luitpold Cafe mit Helen Rose Ebaugh |
Prof. Ebaugh's Bemerkung, sie wäre sehr angenehm darüber überrascht, die Frauen der Gülen-Bewegung in Europa viel aktiver im Vereinsleben zu sehen als z.B. in Amerika überaschte uns gleichermassen. Für uns ist es bereits Alltag, mit unseren männlichen Kollegen einen regen Austausch zu haben, da wir uns als gleichberechtigte Mitglieder sehen.