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Montag, 29. April 2013

Gülen über Geschlechterrollen im Islam

"Gott hat alles in Paaren erschaffen"
Die Gleichberechtigung der Frau im Islam lässt sich an bestimmten Aspekten wie die Gleichheit vor Gott und in dem Grund der Erschaffung beider Geschlechter festmachen. Wie widerspiegelt sich dieser Sachverhalt in den Aussagen Gülens? Was meint Fethullah Gülen, wenn er von „Unterschieden zwischen Frau und Mann" spricht, oder schreibt? Da diese Fragen nach einer Zusammenstellung von Zitaten und Stellungnahmen Gülens nicht ungeklärt bleiben, sollen diese unter die Lupe genommen werden.

Eindrücke aus dem Koran


Wenn es um die Grundlagen des Islams geht, werden Frauen und Männer im Koran gleichwertig nebeneinander angesprochen1. Aber wieso gibt es eine Sura im Koran, die mit der Überschrift „An-Nisa" deutlich macht, dass sie den Frauen gewidmet ist?2 Wieso gibt es keine Sura, die explizit die Männer anspricht oder in dem es um den Mann geht. Der Prophet Muhammed erwähnt in einem Hadith, dass das Achten der Mutter einen jeden ins Paradies bringen kann3. Bei diesem Hadith geht es nicht darum, die Frau zum Mutter-Werden zu motivieren. Es soll zum Achten der Mutter verleitet werden. Wieso werden Frau und Mann hierbei nicht „gleich" behandelt? Es gibt sicher Zitate des Propheten Muhammed, die auch das Achten der Väter empfehlen. Aber keines ist so schwergewichtig wie das über das Achten der Mutter. Liegt es daran, dass sie eine Frau ist? Wie erklärt Fethullah Gülen solche Punkte, die in der Thematisierung von Frau und Mann im Islam auffällig sind. Fethullah Gülen erwähnt neben den Gemeinsamkeiten und der Gleichberechtigung zwischen Frau und Mann auch „mögliche Unterschiede zwischen Mann und Frau"4.

„Gott hat alles in Paaren erschaffen"

 

„So sind Männer in der Regel physisch stärker und eher dazu in der Lage, Strapazen zu ertragen, während Frauen tiefere Gefühle haben: sie sind mitfühlender, zarter, aufopferungsvoller. [...] Allerdings dürfe [laut Gülen] aus solchen Unterschieden keine Rangordnung abgeleitet werden. Ebenfalls auf der Grundlage des Korans bestätigt Gülen, dass von den subatomaren Teilchen bis hin zu den Menschen, Gott alles in Paaren erschaffen hat, die eine Einheit bilden."5
Hier wird in der Koran-Exegese durch Gülen ersichtlich, dass in keinster Weise weder die Frau als Ursprung allen Übels gesehen, noch als „Derivat" des Mannes betrachtet. Das Gewicht „dieser Aussagen, die tatsächlich aus dem Koran abgeleitet sind, erschließt sich einem westlichen Publikum erst dann, wenn man sich in Erinnerung ruft, dass in der jüdisch-christlichen Tradition Eva als Derivat Adams und als die Quelle allen Übels, als Anstifterin zum Sündenfall gilt."6 Wenn Gülen von Unterschieden zwischen Frau und Mann im Islam spricht, ist es in keinster Weise aristotelisch: „Aristoteles war der Auffassung, Frauen seien unvollkommene Männer, d.h. unvollständige Wesen, von Natur aus Gegenstand von Unterordnung".7
Gülen erklärt, was er meint, wenn er von Unterschieden zwischen Frau und Mann spricht: „Zwar unterscheiden sich Frauen in Körperbau und Psyche von den Männern; das bedeutet jedoch nicht, dass der eine dem anderen überlegen wäre. Stellen wir sie uns vielmehr wie den Sauerstoff und den Stickstoff in der Luft vor. Beide erfüllen bestimmte Aufgaben und sind in gleichem Maße aufeinander angewiesen. Männern an Frauen oder Frauen an Männern zu messen, ist genauso absurd, wie über die Substanzen in der Luft zu sagen: „Stickstoff ist wertvoller" oder „Sauerstoff ist wertvoller". Hinsichtlich ihrer Erschaffung und hinsichtlich der Aufgabe, die sie in dieser Welt zu erfüllen haben, gibt es zwischen Mann und Frau keinen Unterschied; in ihrem Aufeinander-angewiesen-Sein sind sie wie die beiden Seiten ein und derselben Medaille."8

Die Frau – „ein einzigartiger Diamant"

 

Gleich behandelt Gülen Frau und Mann in seinen Schriften zu Gunsten der Frau nicht. In allen Schriften und Predigen schreibt und spricht Fethullah Gülen über die Frau sehr achtsam und wertschätzend. So ist es nicht verwunderlich, wenn die Frau als „einzigartiger Diamant", „ehrenhaft", „Blüte" oder „Edelstein" bezeichnet wird.9 Gülen schreibt: „Eine Frau, die in ihrer Innenwelt der Rechtschaffenheit eine große Bedeutung zumisst, ähnelt einem Kristallkronleuchter; in jedem Augenblick verbreitet sie ihr Licht im ganzen Haus. Die wichtigsten Kenntnisse, die sie besitzen sollte, liegen im Bereich der sozialen Erziehung." 10Aus diesem Auszug geht hervor, dass Gülen der Frau eine bestimmte Kompetenz zuschreibt: und zwar die der sozialen Kompetenz, aber er schließt andere Fähigkeiten keineswegs aus.

Fast 100 % aller Männer im Bau und Transport tätig11

 

Gülen beschränkt „die Aufgabe" der Frau nicht nur darauf, die soziale Erziehung zu übernehmen, aber misst die Übernahme dieser Aufgabe seitens der Frau oder der Frauen eine hohe Bedeutung zu. Das statistische Bundesamt gibt Folgendes bekannt: „Einen Frauenanteil von über 80 % wiesen die Gruppen der Gesundheitsdienstberufe und der sozialen Berufe auf. Hierzu zählen etwa Krankenschwestern, (...) sowie Erzieherinnen und Altenpflegerinnen."12 Genauso hält das statistische Bundesamt fest, dass besonders physisch anstrengende Berufe zu 99 % von Männern ausgeübt werden.13


Unterschiedliche Interessen

 

Es stellt sich die Frage, ob trotz jeder Mühe, die Geschlechter gleich zu stellen, sich die unterschiedlichen Geschlechter nicht aufgrund ihres Wesens sich für einen bestimmten Beruf entscheiden. Gülen geht es um das Aufzeigen von den Wesensunterschieden und körperlichen und psychischen Grenzen und Stärken der Frau und des Mannes. Dass Frau und Mann sowohl körperlich, als auch biologisch, wie auch psychisch ungleich sind, stehe außer Frage. Gleich sind Frau und Mann in ihrem Wesen nicht und somit können sie das auch in ihren Interessen im Detail nicht sein.14 So existiert jedoch keine Überlegenheit im Geschlecht, sondern es ist von einem Sich-Einander-Ergänzen die Rede15: „Es geht hierbei nicht darum, dass Frauen sich als Menschen zweiter Klasse fühlen sollen, aber auch nicht um die Gleichheit zwischen Frau und Mann."16 Wenn es um die Pflichten der Frau und des Mannes geht, sei keine Aufgabe „besserer" oder „niederer" Natur als die Aufgabe des Gegenübers. Gülen betont die Arbeitsteilung zwischen Frau und Mann."17 So kann ein angenehmes Leben für beide Geschlechter gewährleistet werden, indem Aufgaben, die das Wesen ansprechen und auf das Geschlecht zugeschnitten sind, übernommen werden. Da braucht sich auch keiner zwangsweise in ein anderes Geschlecht hineinzuzwängen.

Frau – die Quelle der Barmherzigkeit

 

Es gibt viele Beispiele, an denen sich die unterschiedlichen Interessen erkennbar machen. Wenn Gülen von der Frau als „Quelle der Barmherzigkeit"18 spricht, dann nimmt er Bezug auf die wesentlichen Eigenschaften einer Frau: „Was ihre inneren Potenziale betrifft, so wurde die Frau als Inbegriff von Mitgefühl und Zuneigung erschaffen. Mitgefühl und Zuneigung gehören seit jeher zu ihrem Naturell und Wesen. Eine Frau mit einem reinen, durch keine äußeren Beeinträchtigungen verunreinigten Naturell denkt, spricht, sitzt und steht mit Mitgefühl und Zuneigung."19 Gülen betont, dass „vor ihrer Erschaffung (...) der Prophet Adam einsam [war], der Umwelt (...) jeder Geist [fehlte], der Mensch (...) zum Aussterben verurteilt [war]."20
An einer anderen Stelle sagt er, „Gott hat die Frau als die Partnerin des Mannes erschaffen. Adam konnte nicht ohne Eva sein und Eva nicht ohne Adam. Dieses erste Paar wurde mit der überaus wichtigen Pflicht betraut, als Spiegel und Deuter zu agieren, sowohl im Namen ihres Schöpfers als auch um der Schöpfung willen. Sie waren wie zwei Körper mit einer einzigen Seele und repräsentierten zwei Gesichter einer einzigen Wahrheit. Mit der Zeit jedoch hat primitives und grobschlächtiges Denken diese Balance zerstört; und gleichzeitig gerieten auch die Harmonie innerhalb der Familie und die Ordnung in der Gesellschaft in Unordnung." So sei es laut Gülen wichtig, dass eine Frau sich ihrer inneren Tiefe bewusst sei und die Grenzen ihrer Natur achte, damit die Harmonie und das Gleichgewicht innerhalb einer Gesellschaft nicht aus den Fugen gerät.21
Gülen betont, dass in denjenigen muslimischen Haushalten, in welchen die Frau scheinbar religiös begründet schlecht behandelt wird, es aus Unwissenheit über die Inhalte im Islam und aus traditionellem Verständnis von Geschlechterrollen geschieht.22
Wenn die Frau ihrem Wesen entsprechend gehandelt hätte, und ihr auch der Wert, den sie verdient, gegeben worden wäre, wären bisher etliche Eliten bisher herangewachsen.23

Frauen wie Hatica, Aisa oder Fatima

 

Die große Hoffnung, die Gülen schürt, sind Frauen, die im jetzigen Jahrhundert wie Hatica, Aisa, Fatima, Hafsa und etliche Heldinnen der islamischen Geschichte wirken und werken. „In der Frühzeit des Islam beispielsweise führte Aischa, die Frau des Propheten, ein Heer an. Außerdem fungierte sie als religiöse Gelehrte, deren Ansichten jedermann akzeptierte. Frauen beteten in den Moscheen mit den Männern gemeinsam. Selbst eine alte Frau konnte dem Kalifen in der Moschee in einer Rechtsfrage widersprechen. Noch im Osmanischen Reich des 17. Jahrhunderts zollte die Frau eines britischen Botschafters den Frauen Anerkennung und rühmte voller Bewunderung ihre Bedeutung in Familie und Gesellschaft"24
Für Gülen ist das Potential, was Frauen in seinen Augen mitbringt, bemerkenswert, sodass er ein starkes Engagement von Frauen nicht wegdenken mag und es bedauert, wenn Frauen sich einschüchtern lassen. Dazu bemerkt Gülen in einem Interview mit Rainer Hermann, dass er mangelnde Partizipation von Frauen innerhalb der Gesellschaft bedauere.25 Dennoch weiß er diejenigen Frauen zu schätzen, die ehrenamtlich schon Kontinente wechselten, altruistisch unterwegs sind und ausgetrockneten Kehlen aus ihrer Quelle der Barmherzigkeit Wasser spenden.26

Gleichwertig aber nicht identisch

 

So kann zusammengefasst werden, dass Frauen anders als Männer, aber nicht weniger oder mehr effektiv als Männer werken und wirken. Sie ergänzen sich einander und weder der Mann ist effektiver als die Frau, noch die Frau besser als der Mann. In der Institution „Familie", das aus Vater, Mutter und Kind besteht, ist der Bezug, den ein Kind gegenüber seiner Mutter hat, ein ganz anderer, als der Bezug zum Vater. Dies hängt nicht zuletzt mit der Dauer der Schwangerschaft zusammen, in welcher die Mutter und das Kind ein Teil sind. Wenn in der kleinsten Institution der Gesellschaft „Familie" die Mutter vor allem dazu dient, dem Kind soziale Kompetenz weiterzugeben, und der Vater vor allem das Selbst- und Verantwortungsbewusstsein eines Kindes nicht unbedingt bewusst beeinflusst, dann ist daraus zu schließen, dass die Einflüsse von Frauen und Männern auch in größeren Gesellschaften als die der Familie unterschiedlicher Art sind.
Frau und Mann stehen also wie zwei Säulen der Gesellschaft, die unterschiedlich verziert sein können, aber die trotzdem beide nötig sein können, um das Gebäude aufrecht zu erhalten. Denn die Abwesenheit von einer der beiden Säulen würde das Einbrechen des Gebäudes bedeuten. So kann festgehalten werden, dass Frau und Mann gleichwertig sind, aber der Beitrag, den beide Geschlechter leisten kein gleicher ist.

Elif Soyer, Heidelberg
Quelle: GülenNEWS

[1] Vgl. Koran: 33:35 : Aus dem Arabischen von Max Henning. Istanbul 2002:
„Wahrlich, die muslimischen Männer und die muslimischen Frauen, die gläubigen Männer und die gläubigen Frauen, die gehorsamen Männer und die gehorsamen Frauen, die wahrhaftigen Männer und die wahrhaftigen Frauen, die standhaften Männer und die geduldigen Frauen, die demütigen Männer und die demütigen Frauen, die Almosen spendenden Männer, die Almosen spendenden Frauen, die fastenden Männer und die fastenden Frauen, die fasten, die ihre Keuschheit wahrenden Männer und die ihre Keuschheit wahrenden Frauen, die Allahs häufig gedenkenden Männer und die Allahs häufig gedenkenden Frauen - Allah hat für sie Vergebung und großen Lohn vorgesehen.“                                                                                         
[2] Vgl. Sura 4, „Die Frauen (an-Nisa)“.
[3] Vgl. Mehmet Gündem: Fethullah Gülen’le 11 Gün, S. 176. /
 Hadith zu finden bei: a) İbn Hanbel, V, 198 und b) (Nesâî, Cihad, 6).
[4] Hunt & Aslandogan 2012, S. 193.

[5] Hunt & Aslandogan 2012, S. 193 / Ünal & Williams 2000, S.138.
[6] Genesis 3,1; Tim 2,11-15 / Hunt & Aslandogan 2012, S. 193.
[7] Hunt & Aslandogan, S.194. / Vgl. Peters 1968.
[8] http://www.fragenandenislam.de/makale/die-frau-eine-quelle-der-barmherzigkeit

[9] Gülen, Perlen der Weisheit 2005, Mörfelden-Walldorf, fontäne-Verlag, S. 71f.
[10] Gülen, Perlen der Weisheit, S. 71.
[12]Statistisches Bundesamt, [Stand 21. April 2013].
[13]Statistisches Bundesamt, [Stand 21. April 2013].
[15] Vgl. Ertugrul Özkök: Hocaefendi Speaks, [Stand 22.4.2013].

[16]Mehmet Gündem: Fethullah Gülen’le 11 Gün. Istanbul 2005. S. 176.
[17] Mehmet Gündem: Fethullah Gülen’le 11 Gün. Istanbul 2005. S. 176.
[20] http://www.fragenandenislam.de/makale/die-frau-eine-quelle-der-barmherzigkeit Absatz 7 und http://tr.fgulen.com/content/view/694/3/ Absatz 7

[22] Vgl. http://tr.fgulen.com/content/view/13971/9/, 1. paragraf:
Bu iddia, şayet onu ortaya atanlar kasıtlı ve ön yargılı insanlar değillerse, Hak Din'in bu mevzuda vaz' ettiği ölçülerin bilinmemesinden ve tarih boyunca bilhassa âdetlerden gelen yanlış anlayış ve yanlış uygulamaların İslam'a mal edilmesinden kaynaklanmaktadır.”
[23] http://tr.fgulen.com/content/view/13971/9/ Absatz 35 : Vgl.: “Doğrusu, Devr-i Risalet Penâhî'de kadının hak ve sorumluluklarının tam belirlendiği, özellikle hasta olduğu hallerde ve hayız, nifas gibi hususi durumlarında ona kaldıramayacağı yüklerin yüklenmediği; fakat, onun çok defa savaşlara bile katıldığı, yaralılara baktığı, tedavi için gerekli malzemeleri hazırladığı, savaşçılara hizmet ettiği ve hatta bizzat savaştığı; normal zamanlarda da bilhassa …”
[24] Ertugrul Özkök: Hocaefendi Speaks
[25] Vgl. Rainer Hermann: „Islam und Moderne stehen nicht im Widersprich". 06.12.2012, FAZ
[26] http://tr.fgulen.com/content/view/13971/9/ dritter Absatz von unten

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